Die Symbiose von Mensch und Maschine im Rechtswesen
Die Rechtsbranche durchläuft derzeit eine technologische (R)evolution, die den Arbeitsalltag von Jurist:innen tiefgreifend verändert. Im Zentrum dieser Transformation steht die künstliche Intelligenz (KI), die an frühere technologische Umwälzungen erinnert, wie die Einführung von Personal-Computern und E-Mails in den 1980er und -90er Jahren. Anders als damals erfordert die Integration von KI jedoch eine echte Symbiose von Mensch und Maschine. Juristische Fachkräfte müssen neue Kompetenzen erwerben, um das Potenzial dieser Technologie voll auszuschöpfen. Die notwendige Anpassung an neue Technologien ist freilich nichts Neues. Speziell innerhalb der letzten Jahrzehnte war diese mehrfach und in unterschiedlichster Art und Weise notwendig. Werfen wir einen Blick auf die technologischen Hilfsmittel des juristischen Büroalltags der Vergangenheit und die Entwicklung, die sie genommen haben.

Disktiergeräte und Spracherkennung: Sprachbasierte Interaktionen für mehr Effizienz
Die Blütezeit der Diktiergeräte lag zwischen den 1960er- und 1990er-Jahren, als sie zur Aufzeichnung von Aktennotizen und Schriftsätzen genutzt wurden. Ursprünglich arbeiteten sie mit Magnetbändern, später mit Mikro-Kassetten und digitalen Medien. Ab den 2000er-Jahren verdrängte zunehmend Spracherkennungs-Software die Diktiergeräte. Heute ist Spracherkennung eine gängige, flexible Alternative, da mittels dieser Technologie Sprache in Echtzeit in Text umgewandelt werden kann.
Von der Schreibmaschine zur digitalen Texterstellung: Computer als Partner der ersten Stunde
Mit dem Wechsel von Schreibmaschinen zu Computern in den 1980er- und -90er-Jahren begann eine Ära der Effizienz im Rechtswesen. Mitarbeiter:innen mussten grundlegende Fertigkeiten im Umgang mit digitalen erkzeugen erlernen. Obwohl die Akzeptanz dieser neuen Technologie anfangs zögerlich war, führte die Integration von Computern zu einer neuen Arbeitsweise, bei der Mensch und Maschine kooperativ arbeiten. Heutzutage wäre der zu bewältigende Arbeitsumfang ohne diese Technologie nicht mehr möglich.
E-Mail und Fax: Anpassung an neue Kommunikationsmittel
Der Übergang von Fax zu E-Mail in den späten 1990er- und frühen 2000er-Jahren verdeutlichte die Notwendigkeit, sich an neue Kommunikationsformen anzupassen. Die E-Mail ermöglichte eine schnellere, flexiblere und effizientere Korrespondenz, was wiederum neue Fähigkeiten erforderte, insbesondere im Bereich der digitalen Kommunikation und des Datenschutzes. Doch nicht nur in dieser Hinsicht war Anpassung vonnöten: Auch die deutlich gestiegene (erwartete) Reaktionsgeschwindigkeit in der Korrespondenz stellte eine Herausforderung an das persönliche Arbeitstempo sowie etablierte Prozesse dar.
Juristische Datenbanken: Digitalisierung der Recherche
Mit der Einführung juristischer Datenbanken in Österreich, wie der RDB 1986 und des RIS Ende der 1990er-Jahre, erkannten Jurist:innen die erhebliche Bedeutung digitaler Recherchefähigkeiten. Auch die Nutzung dieser Ressourcen erforderte neue Kompetenzen, wie das kritische Bewerten digitaler Quellen. Heute steigert die KI diese Herausforderung, indem sie nicht nur Informationen liefert, sondern gleichzeitig auch Interpretationen und Anwendungsvorschläge bietet. Rechtsanwender:innen müssen daher lernen, KI-gestützte Recherchetools sowohl kritisch als auch effektiv in ihre Arbeit zu integrieren.
Workflow-Software und Fallmanagement
Mit der Einführung von Kanzlei-Management-Software verbesserten sich bei Anwaltschaft und Notariat die Fallverwaltung sowie die Arbeitsabläufe. Diese Entwicklung erforderte nicht nur technische, sondern auch organisatorische Fähigkeiten, um das Potenzial der Software jeweils voll auszuschöpfen.
KI als Unterstützung: Menschliche Intelligenz bleibt im Mittelpunkt
Künstliche Intelligenz unterstützt Jurist:innen bei komplexen Aufgaben wie Recherche, der Erstellung und Prüfung von Verträgen, aber auch bei der Automatisierung von Routinearbeiten. Wichtig ist jedoch: Der Mensch behält die Kontrolle. KI agiert als „Machine in the Loop“ und unterstützt die juristische Expertise, ohne diese zu ersetzen. MANZ Genjus KI, ein auf Large Language Models (LLMs) basierender Recherche-Assistent, ist ein Beispiel dafür, wie die Interaktion von Mensch und Maschine zu mehr Effizienz, kürzeren Recherchezeiten und höherer Treffsicherheit führt. Anwender:innen treten dabei in einen Expertendialog mit der KI-Anwendung.
Demografischer Wandel als Beschleuniger der Transformation
Die bisherigen Umstellungen verdeutlichen, dass technologische Transformationen eine gewisse Zeit benötigen, um sich vollständig zu etablieren. Während die genannten Entwicklungen jeweils zwischen fünf und fünfzehn Jahren in Anspruch nahmen, wird die Integration von künstlicher Intelligenz im Rechtswesen aus demografischen Gründen, konkret aufgrund der heutigen digitalen Affinität der beteiligten Akteur:innen sowie des sich verschärfenden Fachkräftemangels, schneller erfolgen.
Der Erfolg dieser Symbiose beruht auf einer fein abgestimmten, komplementären Zusammenarbeit zwischen juristischen Fachkräften und modernen Technologien. Während Jurist:innen ihre analytischen,
kritischen und ethischen Kompetenzen einbringen und die Fähigkeit besitzen, komplexe Fragestellungen in einen breiteren sozialen und moralischen Kontext zu stellen, steht die KI als Werkzeug zur Verfügung, das Prozesse automatisiert, Daten in großen Mengen verarbeitet und Arbeitsabläufe beschleunigt. Diese Kombination ermöglicht es, Routinetätigkeiten effizienter zu gestalten, sodass Jurist:innen sich auf tiefere, wertschöpfende Aufgaben konzentrieren können. Gemeinsam können Mensch und Maschine das Rechtswesen effizienter, präziser und zukunftsorientierter gestalten, indem sie ihre jeweiligen Stärken vereinen.
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