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Coverstory

Von Gutachtern und Gerichtsmedizinern

Bei ÄrztInnen und JuristInnen für Erkenntnisgewinn sorgt die MANZ-„Zeitschrift für das ärztliche Gutachten“ (DAG). Von Beginn an dabei: die Expertin für Gutachterwesen Christina Wehringer und Christian Reiter – der „Geschichtenwichtel“ (so die Eigendefinition Reiters).
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Redaktion
Reinhard Ebner
Datum
23. November 2021

Die Arbeit als Gerichtsmediziner kann enorm fordernd sein: „Die angelieferten Leichen lagen eingewickelt in Plastikfolien im Hof, ohne jegliche Kühlung. Die im Schweiß der Untersuchenden gelösten Ammoniakdämpfe erhöhten den pH-Wert der Schweißperlen derart, dass diese in den Augen unerträglich brannten. Es musste so schnell wie möglich gearbeitet werden, da die Maden die Körper vor den Augen des Teams wegfraßen ...“

Was der Gerichtsmediziner Christian Reiter hier beschreibt, ist die Identitätsbestimmung der Todesopfer nach dem Absturz einer Lauda-Air-Maschine im thailändischen Dschungel des Jahres 1991. Erschwert wurde die Aufgabe durch die Verhältnisse vor Ort und die Vorgangsweise der örtlichen Behörden, die Tote mit dunklem Kopfhaar grundsätzlich als Asiaten betrachteten.

Gerichtsmediziner auf Spurensuche

Reiter und das deutsch-österreichische Untersuchungsteam gingen trotz aller Widrigkeiten nach wissenschaftlichen Standards vor. Der Gerichtsmediziner konnte dabei eigene Erkenntnisse und Vorarbeiten zur Bildung kleinerer Opfergruppen umsetzen, um die Identifizierung zu erleichtern: darunter die mikroskopische Klärung des Rauchverhaltens, um zwischen Rauchern und Nichtrauchern zu unterscheiden.

Nachzulesen war dies jüngst in der alle zwei Monate erscheinenden „Österreichischen Zeitschrift für das ärztliche Gutachten“ (DAG). In der Rubrik „spurensuche“ arbeitet Reiter historische Fälle auf und lässt an seinem reichen Erfahrungsschatz als Gerichtsmediziner und Sachverständiger teilhaben.

„Ich vermittle gern Wissen durch Geschichten und Anekdoten. “
CHRISTIAN REITER, GERICHTSMEDIZINER

Vom Pflegegeld zur Zeitschrift

 

2013 erschien die erste Ausgabe der DAG. Seit damals als Chefredakteurin an Bord: Christina Wehringer. Ihre „MANZ-Geschichte“ begann mit einem Buch: Als Leiterin der ärztlichen Fachabteilung der Sektion IV im Sozialministerium war Wehringer seit Beginn der Pflegegeldregelungen in den Gesetzgebungsprozess eingebunden und führte danach die Aufsicht über die Umsetzung der Begutachtungs-Richtlinie. Die wichtigsten Judikate und vor allem den Weg zum Pflegegeldgutachten wollte sie in einem Leitfaden behandeln.

 

Das „Gutachten zum Pflegegeld“ erschien seit 2010 in mehreren Auflagen. In der Folge wurde Wehringer von MANZ-Programmleiter Markus Schrom zu einem Gespräch eingeladen. „Er wollte mit mir über ein ,Kontinuum‘ sprechen.“ Das Kontinuum sollte eine Zeitschrift werden, die sich an alle begutachtenden MedizinerInnen wendet sowie an JuristInnen und RichterInnen, die in ihrer beruflichen Tätigkeit Gutachten verstehen, bewerten und einordnen müssen.

 

Ärztliches Gutachten wurde professionalisiert

 

Die Zeitschrift DAG trug über die Jahre zu einer Professionalisierung der Tätigkeit von Gutachtern und Sachverständigen und zu einer Vereinheitlichung der Standards bei. Christian Reiter: „Damit Gutachten für die Gerichte nachvollziehbar und sind, braucht es Richtlinien, gemeinsame Begriffe und Definitionen. Spaghetti Carbonara kann ich auch nicht nach Belieben zubereiten. Damit sie als solche erkennbar sind, muss ich mich an einem Grundrezept orientieren.“

 

Wichtig sei auch eine allgemein verständliche Sprache. „Mein Lehrer, Professor Wilhelm Holczabek, meinte, Gutachten müssten so erstellt werden, dass sie die Marktfrau vom Naschmarkt problemlos versteht. Denn die ,Frau Sopherl‘ sitzt möglicherweise beim Verfahren auf der Geschworenenbank.“

„,Das ärztliche Gutachten‘ richtet sich an medizinische Sachverständige und Juristen. “
CHRISTINA WEHRINGER, CHEFREDAKTEURIN "DAS ÄRZTLICHE GUTACHTEN"

Vom Pflegegeld in Österreich zum Führerschein-Gutachten

 

Die Arbeit an der Zeitschrift wurde Christina Wehringer über die Jahre niemals langweilig. Neue Themen und Zugänge ergeben sich immer wieder. „In der Dezember-Ausgabe beschäftigen wir uns mit Fragen nach Verwahrungs- und Löschungspflichten digitaler Akten sowie mit Radunfällen. Letztere haben in der Pandemie deutlich zugenommen.“

 

Mit ihrer Alleinstellung erfüllt die DAG eine wichtige Funktion. Die Chefredakteurin kann dies mit Zahlen belegen: „Jährlich werden in Österreich rund eine Million Gutachten im engeren Sinn erstellt – Krankmeldungen nicht eingerechnet. Es gibt allein 450.000 Pflegegeldbezieher sowie in diesem Bereich jährlich zirka 200.000 Neuanträge und 50.000 Erhöhungsanträge.“ Dazu kommen Gutachten zur Fahrtüchtigkeit, zur Pilotentauglichkeit, Tauchbegutachtungen und vieles mehr. Und nicht zu vergessen: rund 40.000 Gerichtsgutachten jährlich.

 

Das vollständige Porträt der DAG-Chefredakteurin Christina Wehringer und des Gerichtsmediziners Christian Reiter lesen Sie in der RECHTaktuell 6/2021. Im MANZ Webshop können Sie die „Zeitschrift für das ärztliche Gutachten“ im Kennenlern- oder Jahresabo bestellen.