"Gesundheit in der Klimakrise" in erweiterter Neuauflage
Eine erste Auflage des Titels „Gesundheit in der Klimakrise“ erschien 2017 im MANZ Verlag. Nun, sechs Jahre später, folgt die zweite Auflage; das Buch wurde jedoch nicht nur neu aufgelegt, sondern de facto neu geschrieben, wie Herausgeber Hans-Peter Hutter anmerkt. Die Autorenriege der MedUni: Kathrin Lemmerer, Hanns Moshammer, Michael Poteser, Peter Wallner und Lisbeth Weitensfelder.
Hutter: „Die Brisanz der Thematik hat nochmals zugenommen. Laut den jüngsten Studien – darunter der Bericht des Weltklimarats von 2022 – haben wir nicht mehr 20, sondern nur noch zehn Jahre Zeit, um die teils massiven Folgen des Klimawandels auf Natur und Menschen einzudämmen.“
Klimawandel, Corona und Infektionserkrankungen
Neu ins Buch aufgenommen wurden Kapitel über die psychischen Folgen von Wetterextremen und klimabedingten Landschaftsveränderungen sowie über die Zusammenhänge zwischen Klimawandel, Luftverschmutzung und Infektionskrankheiten – Stichwort Corona. Bei der Verbrennung fossiler Kraft- und Brennstoffe entstehen Stickstoffoxide und Feinstaub. Diese verlängern die Überlebensfähigkeit von Viren in der Atmosphäre und erhöhen somit das Ansteckungsrisiko.
Durch andauernde Schadstoffbelastung steigt jedoch nicht nur die Infektionsgefahr, sondern auch das Risiko für eine Erkrankung, einen schweren Verlauf oder gar einen tödlichen Ausgang. „Unsere Analysen in Wien zeigten, dass die Stickstoffdioxid-Konzentrationen im Jahr 2019 mit einem höheren Risiko verbunden waren, an COVID-19 zu versterben.“
Von Umwelttrauer und Zukunftsängsten
Immer mehr rücken auch die psychischen Folgen des Klimawandels in den Fokus: „Aus Australien und anderen Regionen, wo sich das Landschaftsbild stark verändert, kennen wir den Begriff der ,Umwelttrauer‘. Die Menschen vermissen ihr gewohntes Umfeld.“ Bis zu einem gewissen Grad betrifft dies auch Alpenbewohner:innen, die zusehen müssen, wie die Gletscher schwinden, oder Obstbäuerinnen und Obstbauern, deren Ernte von den hohen Temperaturschwankungen zunichte gemacht wird.
Die Zukunftsängste der Jüngeren, die sich seit 2018 in der „Fridays for Future“-Bewegung engagieren, seien durchaus berechtigt. „Die Kipppunkte des globalen Klimas wird diese Generation garantiert erleben. Das Ausmaß hängt ganz essenziell davon ab, ob wir jetzt wirksam und konsequent gegensteuern.“
Klimamigration im Kleinen und im Großen
Mit den wärmeren Temperaturen kommen auch „neue“ Infektionskrankheiten nach Europa. Auf Infektions- und Tropenkrankheiten ist unser Gesundheitssystem grundsätzlich gut vorbereitet. Dass bei den zu erwartenden Hitzewellen ältere, kranke und pflegebedürftige Menschen vorzeitig sterben, ist schwieriger zu vermitteln.
Deutlich mehr Sorge als die Wanderbewegung von Viren und Bakterien bzw. deren Überträger:innen macht dem Umweltmediziner die Klimamigration. „Millionen von Menschen werden sich aus nachvollziehbaren Gründen auf den Weg machen, weil ganze Weltregionen unbewohnbar werden“, prophezeit der Umweltmediziner. „Damit müsste man sich schon längst vorausschauend auseinandersetzen, und zwar ohne Populismus und Instrumentalisierung des Themas auf dem Rücken von Menschen in Not.“ Kurz: Es ist längst angerichtet. Wir sind mitten in der Klimakrise.
Klimaschutz in Gesellschaft und Politik
Mit solch ernüchternden Prognosen entlässt das Buch die Leser:innen freilich nicht. Auch der Band „Gesundheit in der Klimakrise“ wird dem Ratgebercharakter der Bücher gerecht, die der Kooperation zwischen MANZ Verlag und MedUni Wien entspringen.
Das beginnt mit Tipps für den Umgang mit Hitzewellen und endet mit dem, was wir als Einzelne ebenso wie in Gesellschaft und Politik tun können, um die Klimaziele zu erreichen. Für Vorträge zum Thema ist Hutter in ganz Österreich unterwegs. Sein Eindruck: „Zwei Drittel der Menschen sind gut zu erreichen, ein weiteres Drittel steht Klimaschutz und Klimamaßnahmen eher skeptisch bis nicht zugänglich gegenüber. Problematisch ist es, dass Teile der Politik mit der Wissenschaftsfeindlichkeit liebäugeln.“
Tempolimit bremst Gesundheitskrise
Für Verhaltensänderungen braucht es weniger den erhobenen Zeigefinger als Belohnung. Wobei die Belohnung mitunter von selbst kommt: „Wenn wir weniger mit dem Auto unterwegs sind, gibt es auch weniger Stau und weniger Bewegungsmangel, der letztlich für viele Krankheiten verantwortlich ist.“
Die Politik sei stark in der Verantwortung, geeignete Rahmenbedingungen und attraktive Angebote zu schaffen. Ganz ohne Gebote und Verbote wird es allerdings auch nicht gehen. „Tempolimits etwa sind eben eine wichtige Maßnahme für den Gesundheitsschutz“, so Hutter. Dass gesetzliche Einschränkungen zu mehr Lebensqualität und Gesundheit beitragen können, habe das FCKW-Verbot gezeigt. Die fortschreitende Ausdünnung der Ozonschicht konnte dadurch gebremst werden.
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