Alexandra Michel-Kwapinski
Alexandra Michel-Kwapinski mag die Klarheit im österreichischen Strafrecht. Dieses Gebiet ist seit fast 30 Jahren ihre Welt, sagt die Hofrätin am Obersten Gerichtshof.
Strukturalistin im Strafrecht
Anfang Juli ist es heiß im Justizpalast. Durch die Glaskuppel scheint die Sonne und heizt nicht nur die Aula auf, sondern auch die Büros rundherum. In ihrem großen Arbeitszimmer im dritten Stock sind die Fensterläden zu, die dämmrige Atmosphäre hat etwas Südliches. „Wir haben hier keine Klimaanlagen“, sagt Alexandra Michel-Kwapinski entschuldigend, noch viel anstrengender seien derzeit die Verhandlungen, „niemand macht sich Vorstellungen darüber, wie warm so ein schwarzer Talar ist“, lacht sie.
Doch an sich kommt sie sehr gerne in den Justizpalast. „Die Senatsarbeit ist abwechslungsreich“, sagt sie, vor allem mag sie die Diskussionen im Fünfersenat, wenn über das Zulassen von Rechtsmitteln und Rechtsbehelfe debattiert und entschieden wird. „Diese Art von gegenseitiger Kritik ist überaus konstruktiv und führt zu guten Entscheidungen“, sagt sie und schließlich geht es genau darum. Die Dynamik am OGH macht ihr Spaß, genauso wie die Rechtswissenschaften im Allgemeinen und das Strafrecht im Besonderen. Es beschäftigt sie seit nunmehr beinahe 30 Jahren.
Sprachen und Strafrecht
Alexandra Michel-Kwapinski, Jahrgang 1971, kommt aus dem Burgenland und wuchs als jüngste von drei Töchtern am Land in Oberwart auf. Mit 15 Jahren übersiedelte sie nach Wien und fand „als Teenager die Stadt toll.“ Im Gymnasium in der Hegelgasse mochte sie Sprachen und entschied sie sich nach der Matura 1989 für ein Studium der Handelswissenschaften an der Wirtschaftsuniversität Wien.
„Das fand ich dann aber sehr langweilig“, sagt sie und sah sich nach Alternativen um. Nach einer einzigen Vorlesung am Juridicum war ihr klar, „dass das meine Welt ist, weil die Dinge hier Struktur und Logik haben.“ Sie wurde eine engagierte Studentin. Eine besonders gute Klausurarbeit machte den Strafrechtsexperten Manfred Burgstaller auf sie aufmerksam. Sie wurde Studienassistentin. „Von ihm habe ich das wissenschaftliche Arbeiten so richtig gelernt“, sagt sie und ist ihm bis heute dankbar, weil er ihr die zentrale Bedeutung von Sachlichkeit und Exaktheit vermittelt hat.
Diese juristischen Tugenden waren in ihrer gesamten Karriere wichtig. Nach fünf Jahren Assistententätigkeit an der Universität wollte sie als junge Strafrechtsexpertin die Praxis kennenlernen und machte die Richterausbildung. Nach Abschluss entschied sie sich, Staatsanwältin zu werden, weil es „ein sehr kreativer Beruf mit viel Einblick in eine Causa ist.“ Sie vertiefte sich zunächst ins Jugendstrafrecht, später ins Wirtschaftsstrafrecht.
Vom Grauen Haus in den Justizpalast
2009 wechselte sie aber dann die Seiten und wurde Richterin am Oberlandesgericht Wien, zwei Jahre später wurde sie zur Hofrätin des Obersten Gerichtshofes ernannt. Seit einigen Jahren ist sie zudem auch Mediensprecherin des OGH. „Oft ist es es nicht einfach, Journalisten die Komplexität von Verfahren zu erklären“, weiß sie.
Obwohl Alexandra Michel-Kwapinski gerade das sehr gut kann. Neben ihrer Laufbahn in der Justiz ist sie als Autorin für MANZ tätig. Begonnen hat die Zusammenarbeit 1999, als MANZ-Programmleiterin Hemma Korinek die Idee hatte, in der Serie der Rechtstaschenbücher eine Edition zum Strafrecht herauszubringen. Michel-Kwapinski holt den kleinen Band im dämmrigen Zimmer aus dem Bücherregal gleich hinter ihrem Schreibtisch und blättert ihn mit einem fast nostalgischen Blick durch.
Es folgten weitere gemeinsame Projekt mit MANZ, etwa ein Beitrag zum Wiener Kommentar zur StPO und – jüngst – die Überarbeitung des Kommentars zum StGB, der bislang von Ernst Eugen Fabrizy betreut wurde. Michel-Kwapinski hat zusammen mit ihrem OGH-Richterkollegen Babek Oshidari bis kurz vor Drucklegung sämtliche Novellen aufgenommen. „Wir arbeiten extrem gut zusammen“, sagt sie und erzählt, dass sie gerade vorher, an diesem stickigen Tag, gerade noch ein paar wichtige Dinge mit Oshidari geklärt habe. Auch er ist trotz Hitze noch im Justizpalast.
Den Abend wird Alexandra Michel-Kwapinski in ihrem Wochenendhaus in Weiden am Neusiedlersee verbringen. „Dort ist es herrlich und nachts immer kühler“, sagt sie und schwärmt von der Natur und den Segelausflügen. Sorgen macht ihr das Sinken des Wasserspiegels, dem sie derzeit von Tag zu Tag zuschauen kann. Der Klimawandel ist die größte Herausforderung für die kommende Generation, ist sie sich sicher und denkt an ihre beiden Söhne. Ihr Jüngster hat gerade maturiert. Beide haben sich für eine Laufbahn in der Medizin entschieden. „Sie schlagen ganz offensichtlich nicht nach mir, sondern nach meinem Mann“, sagt sie und lacht. Gelassenheit scheint allgemein eine ihrer Stärken zu sein. Es kann sie nichts aus der Fassung bringen, und schon gar nicht die Hitze im Justizpalast.
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