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AUTORIN DES MONATS · RECHTaktuell 02/2021

Ingeborg Zerbes

Seit 2019 ist sie stellvertretende Leiterin des Instituts für Strafrecht und Kriminologie an der Universität Wien – in den letzten beiden Monaten hat sie sich intensiv mit dem Terroranschlag in Wien 2020 beschäftigt.
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Redaktion
Reinhard Ebner
Datum
08. April 2021

Durch ihre Leitung einer Untersuchungskommission zum Terroranschlag in Wien wurde Ingeborg Zerbes auch außerhalb der juristischen Welt bekannt. Was treibt die stellvertretende Leiterin des Instituts für Strafrecht und Kriminologie an der Universität Wien an? Ein Porträt.

Es gibt selten Ereignisse, die eine ganze Republik so sehr erschüttern wie der islamistisch motivierte Terroranschlag, der am 2. November 2020 in der Wiener Innenstadt vier Menschenleben forderte. Wie konnte der Sympathisant des „Islamischen Staats“ – wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Gemeinschaft rechtskräftig verurteilt – vom Verfassungsschutz unbemerkt eine Waffe in der Slowakei kaufen, um am Vorabend des zweiten Corona-Lockdowns dieses Attentat zu begehen?

Am 26. November wurde die Strafprozess-Expertin Ingeborg Zerbes von der Regierung mit der Untersuchung eines möglichen Behördenversagens beauftragt. „Ich war im ersten Augenblick selbst über diesen Auftrag überrascht“, erinnert sie sich. Nach zehn Jahren an der juristischen Fakultät der Universität Bremen war sie eben erst an die Wiener Universität zurückgekehrt. Mit viel Elan nahm sie den Job an, „auch weil ich wirklich das Gefühl hatte, Innen- und Justizministerium waren an einer Aufklärung tatsächlich interessiert“. Dabei betont sie, dass sie ohne politische Einflussnahme arbeiten konnte.

Bericht zum Verfassungsschutz

Zerbes und ihr Team konnten eindeutig feststellen, dass der österreichische Verfassungsschutz personell wie technisch schlecht ausgestattet ist und nach dem Prinzip „You must know, but you must not share“ handelt. Dieses Grundprinzip des Nicht-miteinander-Kommunizierens setze sich bis in die Datenverarbeitungs-Plattformen fort. Im Jahr 2019 verstärkte sich dieser strukturelle Missstand.

Wer Ingeborg Zerbes kennt, weiß: Sie ist offen und direkt, kann vor allem komplexe Sachverhalte so herunterbrechen, dass sie logisch und klar werden. „Ich war schon immer an Sprache interessiert. Die Rechtswissenschaften waren eine Möglichkeit, Gedanken so zu strukturieren, dass sie zu Argumenten werden“, sagt sie.

„Jus ist ästhetisch“

Geboren 1969 in Wien, wuchs Zerbes in einem Lehrerhaushalt auf und besuchte das Gymnasium in der Wenzgasse im 13. Bezirk. „Konservative Schule, könnte man meinen, aber ich hatte vor allem in Geschichte und Deutsch wunderbar fortschrittliche und liberal denkende junge Lehrerinnen.“ Diese hätten sie sehr geprägt.

Nach der Matura entschied sie sich für ein Studium der Rechtswissenschaften. Das Jusstudium gefiel ihr vor allem deshalb, weil „man mit sprachlich präzisen Argumenten Macht kontrollieren kann“. Deshalb macht ihr das wissenschaftliche Arbeiten an der Universität auch großen Spaß, vor allem die Freiheit des Denkens ist ihr wichtiger als alles andere. „Jus ist so konkret, durchaus ästhetisch und dennoch geerdet.“

Spitzeln, Spähen, Spionieren

Zerbes dissertierte bei Strafrechtsprofessor Helmut Fuchs, bei dem sie auch lange Zeit als Assistentin tätig war. 2000 ging sie für zwei Jahre an die Universität Basel. „Spitzeln, Spähen, Spionieren“ wurde der Titel ihrer Habilitation, für die sie mit einem Stipendium der Akademie der Wissenschaften unter anderem in Freiburg forschte.

Von 2010 bis 2019 hatte sie eine Professur in Bremen, ist aber jetzt überglücklich, wieder in Wien zu sein. „Die Universität ist ein wunderbarer Arbeitsplatz, und ich arbeite mit den besten Kollegen und Kolleginnen, die ich mir vorstellen kann“, sagt sie enthusiastisch.

Beweisquelle Handy

Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit neben dem Wirtschaftsstrafrecht ist die Strafprozessordnung. Forschungsthemen wie Sicherstellung, Hausdurchsuchung und Beschlagnahmung sowie Überwachungsmethoden sind in der öffentlichen Debatte brandaktuell. „Mit der Digitalisierung gehen die gegenständlichen Grenzen, etwa jene eines sichergestellten Geräts, verloren“, sagt sie. Durch dessen Auslesung können Strafverfolgungsbehörden mittlerweile in so gut wie alle Lebensbereiche Einblick bekommen (mehr über die „Beweisquelle Handy“ im Gastbeitrag von Ingeborg Zerbes auf der MANZ-Website).

Das vollständige Porträt der Strafrechtsexpertin Ingeborg Zerbes lesen Sie in der RECHTaktuell 2/2021. Zahlreiche Beiträge verfasste sie zuletzt im MANZ-Kommentar zur Strafprozessordnung.

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