Home RECHTaktuell Gastkommentare Beweisquelle Handy

ZWISCHEN SICHERSTELLUNG UND NACHRICHTENÜBERWACHUNG

Beweisquelle Handy

 

Ein Handy gibt nicht nur Daten preis, die auf ihm selbst vorhanden sind, sondern ermöglicht auch das Auslesen entfernter Datenträger. Die Sicherstellung bietet bei der Strafverfolgung daher eine umfangreiche Beweisquelle. Umfangreich, aber nicht unbeschränkt. Die Grenzen erläutert ein Beitrag von Gastautorin Ingeborg Zerbes.

Artikel teilen
Ingeborg Zerbes  foto: privat
© Privat
Ingeborg Zerbes
Universitätsprofessorin und stellvertretende Institutsleiterin am Institut für Strafrecht und Kriminologie (Universität Wien)
Datum
25. Februar 2021

Mit einem modernen Mobiltelefon werden nicht nur Gespräche geführt und Nachrichten ausgetauscht, sondern auch Bilder und Texte abgespeichert, Wege aufgezeichnet, Bauanleitungen heruntergeladen, Banküberweisungen getätigt, Online-Käufe abgewickelt, soziale Medien bedient und vieles andere mehr. Kurzum: Das Handy ist auf dem besten Weg, zum elektronischen Logbuch seines Nutzers zu werden.

Der Nutzer generiert dabei keineswegs nur lokal gespeicherte Daten. Auch – und mittlerweile sogar vor allem – auf externen Speicherplätzen legt er eine Datenspur. Stichwort: Cloud Computing. Stellen die Ermittlungsbehörde ein Handy sicher, erhält sie daher auch Einblicke in Informationen, die außerhalb des sichergestellten Gegenstands gespeichert sind und deren inhaltliche Reichweite kaum abgrenzbar ist. Welche Befugnisse hat sie dazu? Ist alles, was durch ein Handy (oder über ein Notebook, ein Tablet, einen PC ...) eingesehen werden kann, im Rahmen der Sicherstellung auch erlaubt?
 

Befugnisse der Ermittlungsbehörde

Grundsätzlich handelt es sich bei einem Handy um einen Gegenstand, der der Sicherstellung unterliegt. Es ist ein Speichermedium, das die Ermittlungsbehörden nach §§ 109 ff an sich bringen können, um dessen Datenbestand auszulesen. Ein Handy ist aber auch und vor allem ein Gegenstand, mit dem Kommunikationsnetzwerke genutzt werden. Damit geben sie weit mehr preis als ihren eigenen Datenbestand. Alle Daten, die bei einer Betätigung des Betroffenen in einem Kommunikationsnetz gespeichert werden und die auch über sein sichergestelltes Handy sichtbar sind, werden dadurch für die Behörden sichtbar.

Die Nutzung von Kommunikationsnetzen zur Datenübertragung ist grundrechtlich vor allem durch das Fernmeldegeheimnis geschützt. Diesem Schutz soll die Strafprozessordnung (StPO) durch die einer Sicherstellung gegenüber strengeren Vorgaben für eine Nachrichtenüberwachung gerecht werden. Handys und vergleichbares Equipment werfen daher Abgrenzungsfragen zwischen Sicherstellung Nachrichtenüberwachung auf. Diese könnten etwa rigoros so gelöst werden, dass die Handy-Sicherstellung ausschließlich den Zugriff auf lokal gespeicherte Daten erlaubt.

Vorgaben der Strafverfolgungsbehörde

Die Sicherstellungsbefugnisse lassen sich mit den Gesetzesmaterialien aber auch breiter auslegen und auf extern gespeicherte Daten anwenden. § 111 Abs 2 enthält jedenfalls keine ausdrückliche Grenze. Dennoch ist seine Reichweite beschränkt: Die Einblicke in übertragene „Nachrichten und Informationen“ (§ 134 Z 3), die den Strafverfolgungsbehörden über das sichergestellte Handy möglich sind, unterliegen dann den strengeren Vorgaben einer Nachrichtenüberwachung (§ 135 Abs 3),

... wenn sie geheim erfolgen,
... wenn über eine Momentaufnahme von Daten hinausgegangen wird und weitere Datenübertragungsvorgänge über eine Zeitspanne mitgelesen werden, wenn also somit das dahinterstehende Verhalten – Mails, Klicks, Postings und anderes mehr – des Betroffenen beobachtet wird
... oder wenn in die Kommunikation des Betroffenen unabhängig vom sichergestellten Gegenstand eingesehen wird, indem dessen Benutzerkennungen für die betreffenden Dienste von einem anderen Computer aus verwendet werden.

„Handy & Co. verwischen gegenständliche Grenzen – und damit auch die Grenzen der Sicherstellung.“
INGEBORG ZERBES, MANZ-AUTORIN

Entlang dieser Charakteristika der Sicherstellung – offenes Vorgehen, keine Verhaltensbeobachtung, Bindung an den sichergestellten Gegenstand – lässt sich deren Reichweite gegenüber einer Überwachung von Nachrichten einigermaßen gut abstecken, ohne externe Datenbestände generell aus der Sicherstellungsbefugnis auszuklammern. Unschärfen in Randbereichen sind unvermeidbar. Sie liegen im Wesen der modernen Computernutzung, bei der Abruf, Lösung und Veränderung der verfügbaren Daten gerade nicht mehr an ein bestimmtes Gerät gebunden sind. Anders ausgedrückt: Handy & Co. verwischen die gegenständlichen Grenzen – und damit verwischen sie auch ein Stück weit die Grenzen der Sicherstellung.

 

Stark gekürzter Auszug aus dem Fachbeitrag „Beweisquelle Handy“ der MANZ-Autorin Ingeborg Zerbes. Den gesamten Text finden Sie jetzt in Ausgabe 04/2021 der Österreichischen Juristen-Zeitung ÖJZ sowie online auf rdb.at.

 

Verweise

§ 111 StPO, idF BGBl I 52/2009

§ 109 StPO, idF BGBl I 26/2016

§ 134 StPO, idF BGBl I 113/2019

§ 135 StPO, idF BGBl I 27/2018