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KOMMENTAR ZUM BUNDES-VERFASSUNGSRECHT

Das Verfassungsrecht rückt immer mehr in den Fokus

DER Klassiker im Bereich des Bundes-Verfassungsrechts ist ab sofort verfügbar: Mit Gerhard Muzak hat einer der profiliertesten Staats- und Verwaltungsrechtler des Landes den „Kommentar zum B-VG“ grundlegend überarbeitet und neu aufgelegt.

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Gerhard Muzak, © Foto Fayer
© Foto Fayer
Gerhard Muzak
Ao. Univ.-Prof. Institut für Staats- und Verwaltungsrecht (Uni Wien) & MANZ-Autor
Redaktion
Reinhard Ebner
Datum
12. November 2020

Für Gerhard Muzak geht eine besonders arbeitsreiche, aber auch fruchtbare Phase zu Ende: Seit Anfang 2019 beschäftigte er sich mit der nunmehr druckfrischen Neuauflage des Jubiläumskommentars zum Bundesverfassungsrecht. „Das war das bislang größte Buchprojekt seit meiner Habilitationsschrift“, erzählt der Ao. Universitätsprofessor am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht des Juridicums. Besonders intensiv war dabei das letzte halbe Jahr, in dem der Wissenschaftler auch so manches Wochenende mit der Arbeit am Buch zubrachte.

Die Corona-Pandemie brachte nicht nur die Notwendigkeit inhaltlicher Ergänzungen mit sich. Auch das gewohnte Arbeiten wurde durch den Lockdown im Frühjahr dieses Jahres erschwert: „Die notwendige Literatur war durch die RDB Rechtsdatenbank von MANZ auch vom Home Office aus zugänglich“, so Muzak, „aber natürlich ist es eine Umstellung, wenn man die Infrastruktur einer Universität gewohnt ist.“

Ergänzungen von Covid-19 bis Präventivhaft

Dennoch wurde das Werk plangemäß im Juli 2020 fertig. Bis zur Abgabe des sogenannten „Umbruchs“, also des Seitenlayouts, Mitte Oktober hat der Autor jedoch weitere Aktualisierungen vorgenommen und sein Werk um neue Novellen, zentrale Entscheidungen und die entsprechenden Literaturverweise ergänzt. Ein wichtiger Aspekt in bewegten Zeiten: Das Buch befasst sich beispielsweise auch mit verfassungsrechtlichen Fragen rund um die Covid-19-Maßnahmen und die entsprechenden massiven Grundrechtseinschränkungen sowie mit der – jüngst wieder neu aufgeflammten – Thematik der Präventivhaft.

Muzak: „Gerade in der jüngeren Vergangenheit ergaben sich praktisch tagtäglich neue Fragestellungen.“ Wie sieht der Staats- und Verwaltungsrechtsexperte die aktuellen Ausgangsbeschränkungen? Es bleibt jedenfalls spannend: „Ich halte es für naheliegend, dass auch diesmal Teile der Verordnung über die Covid-19-Maßnahmen wieder vom VfGH aufgehoben werden.“

Systematisch, umfassend, übersichtlich

Der von Heinz Mayer begründete und 1994 erstmalig erschienene „Kommentar zum B-VG“ zählt zu den Standardwerken der österreichischen Rechtsliteratur. Bereits an der letzten Auflage arbeitete Gerhard Muzak mit Heinz Mayer gemeinsam. Die Mammutaufgabe einer sechsten Auflage schulterte er nun alleine – und das mit Bravour. Am augenfälligsten ist dabei wohl die neue Gliederung mit Randziffern und Zwischenüberschriften. Das bietet Orientierung für den Leser und erleichtert die Einbindung in die RDB Rechtsdatenbank.

Die maßgebliche Leistung ist freilich inhaltlicher Natur: „Das Buch geht über die systematische Darstellung wegweisender Entscheidungen hinaus“, erklärt Muzak. „Es beinhaltet auch eine kritische Auseinandersetzung mit der Judikatur. So werden unterschiedliche Argumentationswege aufgezeigt, Diskussionen kommentiert und neue Fragen erörtert. Besonderes Augenmerk habe ich auf die Zusammenstellung weiterführender Literatur gelegt.“

Ob Ibiza-Krise oder Corona-Krise

Der B-VG-Kommentar schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe: Nutzer können sich einen schnellen Überblick zu einem bestimmten Thema verschaffen, sie erhalten jedoch auch einen optimalen Einstieg für eine vertiefende Beschäftigung. Das Buch hebt sich damit in der heimischen Publikationslandschaft besonders hervor.

Neu gegenüber vorangegangenen Ausgaben ist die umfassende Kommentierung der Zusatzprotokolle zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). Thematisiert werden auch die durch die Ibiza-Krise virulent gewordenen Fragen hinsichtlich der Bundesregierung sowie die B-VG-Novelle hinsichtlich deren Beschlussfassung aus Anlass der Corona-Krise. Nicht zu vergessen die 2014 erfolgte grundlegende Neustrukturierung der Verwaltungsgerichtsbarkeit, deren Behandlung im Vergleich zur fünften Auflage wesentlich erweitert werden konnte. Interessant in Zeiten von Corona sind auch die kenntnisreichen Ausführungen zur Einreise- und Aufenthaltsfreiheit.

Unverzichtbar für Wissenschaft und Praxis

Wichtig war dem Verfassungsexperten stets größtmögliche Praxisnähe. Unverzichtbar ist das Werk daher nicht nur für Verwaltungsbehörden, die Gerichtsbarkeit des öffentlichen Rechts, ordentliche Gerichte und Anwälte, sondern auch für Rechtsvertreter in der Privatwirtschaft. „Selbstverständlich soll der Kommentar darüber hinaus einen Beitrag zur Forschung im Verfassungsrecht leisten“, sagt Muzak.

In der Vergangenheit wurde die Bundesverfassung gelegentlich wenig ehrfurchtsvoll als „Fleckerlteppich“ bezeichnet. Seit einer Rede des Bundespräsidenten dominiert eine Sichtweise, die der Verfassung „Schönheit“ und „Eleganz“ zuschreibt. Wie sieht dies der Verfassungsexperte? „Beides ist richtig“, fällt Muzak ein salomonisches Urteil. „Als zentrale Kodifikation des Bundesverfassungsrechts ist das B-VG ein wohlüberlegtes und durchdachtes System, das durchaus Eleganz besitzt. Es hat sich zudem – obwohl vor nunmehr hundert Jahren geschaffen – auch in der heutigen Zeit als krisenfest erwiesen.“

Die Verfassung im Fokus der Aufmerksamkeit

Der genannte „Fleckerlteppich“ wiederum sei dadurch entstanden, „dass das B-VG immer wieder kasuistisch und anlassbezogen verändert oder um Inhalte erweitert wurde, die in der Verfassung eigentlich keinen Platz haben.“ Beispielhaft verweist Muzak auf Inhalte aus dem Schulwesen, etwa die bis ins letzte Detail erfolgte Regelung der Bildungsdirektionen im B-VG. Was von lobenswerten Absichten getragen sein mag, ist im Ergebnis nicht immer sinnvoll: „Der Verfassungsrang wurde und wird zum Beispiel bei Fragen eines atomfreien Österreichs oder des Klimaschutzes oft fälschlich für ein Allheilmittel gehalten.“

Die Beschäftigung mit dem Verfassungsrecht ist für den Autor jedenfalls eine ebenso lohnende wie erfüllende Aufgabe – zumal die Relevanz für die Rechtsberufe wie auch für die Öffentlichkeit kaum zu überschätzen ist: „Das Verfassungsrecht ist tagtäglich in den Medien und steht häufig im Mittelpunkt politischer Auseinandersetzungen. Gerade im Zuge der Corona-Krise sind grundrechtliche Fragen aufgetaucht, die zuvor niemand für möglich gehalten hätte.“

Im MANZ-Webshop ist die Neuerscheinung des Staats- und Verwaltungsrechtsexperten Gerhard Muzak, die sechste Auflage des „Kommentars zum B-VG“, ab sofort erhältlich.

„Ich halte es für naheliegend, dass auch diesmal Teile der Verordnung über die Covid-19-Maßnahmen wieder vom VfGH aufgehoben werden.“
Gerhard Muzak, MANZ-Autor

Zum Autor:

Dr. Gerhard Muzak ist Ao. Universitätsprofessor am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Wien. Darüber hinaus er ist er unter anderem Schriftleiter der Zeitschrift „migralex“. Der langjährige MANZ-Autor ist einer der Verfasser von Standardwerken zum Verwaltungsverfahrensrecht und zum Besonderen Verwaltungsrecht. Unter seinen sonstigen Publikationen zum österreichischen und europäischen Recht sind Werke zum Verkehrsrecht sowie zum Fremden- und Asylrecht hervorzuheben.