HINWEISGEBERINNENSCHUTZGESETZ ÖSTERREICH
HSchG-Entwurf: aus der Sicht eines Konzerns
Für gelungen erachten Katharina Brückner und Eric Hohenauer den österreichischen Entwurf zum HinweisgeberInnenschutzgesetz. Bei einigen Bestimmungen wäre eine Nachschärfung jedoch wünschenswert. Warum, erläutern sie in ihrem Beitrag.


Die EU-Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden (auch „EU-Whistleblowerrichtlinie“) wurde am 23.10.2019 verabschiedet und war von den Mitgliedsstaaten bis 17.12.2021 umzusetzen. Österreich veröffentlichte mit Verspätung am 3.6.2022 einen Ministerialentwurf für ein HinweisgeberInnenschutzgesetz. Der vorliegende Beitrag beleuchtet das HSchG aus Konzernsicht und erörtert mögliche Umsetzungsprobleme in der Praxis.
Überblick:
Von der EU-Whistleblowerrichtlinie zum HSchG
Der sachliche Anwendungsbereich des HSchG
Vertraulichkeit, Verschwiegenheitspflicht und Schutz der Identität
Die Konzernlösung
Das Herzstück des HinweisgeberInnenschutzgesetzes ist für internationale Konzerne die sogenannte „Konzernlösung“. § 12 Abs 4 HSchG sieht vor, dass Unternehmen die Aufgaben der internen Stelle an eine gemeinsame Stelle übertragen sowie Dritte damit beauftragen können. Somit ermöglicht der Entwurf des HSchG den Konzernen samt ihren Tochtergesellschaften nur ein einziges, zentrales Hinweisgeber:innensystem zu betreiben, das in der Regel bei der Konzernmutter angesiedelt sein wird.
Der Vorteil der Konzernlösung ist zum einen, dass die Muttergesellschaften zumeist über mehr Kapazitäten und Expertise in den Compliance-Abteilungen verfügen als ihre Tochtergesellschaften. Auch haften Konzernmütter unter bestimmten Voraussetzungen für die kartellrechtlichen Verstöße ihrer Tochtergesellschaften, weswegen der Konzernmutter zwingend alle relevanten Informationen im Zusammenhang mit Verstößen ihrer Tochtergesellschaften vorliegen müssen. Andernfalls könnte sie keinerlei Maßnahmen ergreifen, um allfällige Schäden zu minimieren und gegebenenfalls erforderliche und zeitlich sensitive Prozessschritte zu setzen (beispielsweise die Beantragung des Kronzeug:innenstatus).
Im Übrigen entlässt die Konzernlösung die Tochtergesellschaft auf nationaler Ebene nicht aus der Verantwortung. Diese ist weiterhin Adressat der sie aus dem jeweiligen (lokalen) HinweisgeberInnenschutzgesetz treffenden Pflichten und im Rahmen dessen haftbar. Lediglich der Meldeprozess, die Untersuchung der Meldung sowie unter Umständen die Ergreifung von Folgemaßnahmen wären folglich an die Konzernmutter ausgelagert.
„Es bleibt zu hoffen, dass die in Österreich gewählte ,Konzernlösung‘ von der EU-Kommission als richtlinienkonform akzeptiert wird.“
KATHARINA BRÜCKNER, MANZ-FACHAUTORIN
Von der EU-Whistleblowerrichtlinie zum HSchG
Sofern die Grundsätze der Vertraulichkeit und Unabhängigkeit von der Konzernmutter gewahrt werden, ist nicht ersichtlich, weshalb die genannte Konzernlösung nicht richtlinienkonform sein sollte. Bei einer Zusammenschau der Bestimmungen der HinweisgeberRL ergibt sich das klare Bild, dass Unternehmen ihre Meldekanäle an Dritte, unter anderem auch an Konzernunternehmen, auslagern können, sofern die in Art 9 Abs 1 HinweisgeberRL genannten Garantien eingehalten werden.
Spannend wird sein, wie die EU-Kommission auf die von Österreich und Deutschland implementierten Konzernlösungen reagiert und ob Österreich ein weiteres Vertragsverletzungsverfahren droht. Es bleibt jedenfalls zu hoffen, dass die gewählte Ausgestaltung als richtlinienkonform akzeptiert wird.
Der sachliche Anwendungsbereich des HSchG
Der österreichische Gesetzgeber entschied sich in Abkehr der Logik der HinweisgeberRL dazu, die Schutzvorschriften nicht per Anhang zum Gesetz zu definieren, sondern die einzelnen Rechtsbereiche generisch zu benennen. Damit ist ein weiterer Anwendungsbereich eröffnet und es bleibt den in der Regel nicht juristisch ausgebildeten Hinweisgeber:innen weitestgehend erspart, die von ihnen zu meldenden Sachverhalte unter Rechtsvorschriften zu subsumieren.
Nicht nachvollziehbar ist, weshalb gerade beim Wettbewerbsrecht in § 3 Abs 5 HSchG nur die Verletzung von Unionsvorschriften über den Wettbewerb in den Anwendungsbereich aufgenommen wurde, nicht jedoch das nationale Wettbewerbs- und Kartellrecht. Ob das Merkmal der Zwischenstaatlichkeit erfüllt ist und somit EU-Recht oder nationales Recht zur Anwendung gelangt, ist schließlich eine komplexe Tat- und Rechtsfrage, deren Beantwortung durchschnittlich gebildeten Hinweisgeber:innen nicht zugemutet werden kann.
Der sachliche Anwendungsbereich wird international tätige Konzerne vor eine Herausforderung stellen. Im Gegensatz zu Österreich oder auch Portugal wurde beispielsweise in Deutschland neben großen Teilen des Arbeitsrechts das gesamte Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht in den Anwendungsbereich einbezogen.
Betreibt eine Konzernmutter ein konzernweites Hinweisgeber:innensystem, wird sie kaum in der Lage sein, für jedes einzelne Land den sachlichen Anwendungsbereich des lokalen Hinweisgeber:innenschutzgesetzes zu prüfen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass ein pragmatischer Ansatz gewählt wird und der großzügigste Anwendungsbereich eines EU-Mitgliedsstaats, in dem sich eine Tochtergesellschaft befindet, als allgemeiner Maßstab zur Anwendung gelangt.
Die Frage der Anonymität
Die Bestimmungen zur Bekanntgabe von Folgemaßnahmen (§ 12 Abs 9 HSchG) nehmen anonyme Meldungen nicht aus. Es stellt sich die Frage, wie ein Unternehmen mit anonymen Hinweisgeber:innen nach deren Meldung kommunizieren soll. Die Einrichtung eines anonymen Postfachs, wie dies beim Whistleblowing-System der Bundeswettbewerbsbehörde der Fall ist, wird derzeit nämlich nicht vorgeschrieben.
Aus der Praxis können die Autor:innen des vorliegenden Beitrags berichten, dass von der Möglichkeit der anonymen Meldung durchaus Gebrauch gemacht wird. Oftmals legen die Hinweisgeber:innen sodann nach dem Erstkontakt ihre Identität offen. Eine Interaktion ist bis dahin allerdings nur über ein anonymes Postfach möglich. Anzuraten ist daher die Einrichtung eines geschützten elektronischen Postfachs für die Kommunikation mit anonymen Hinweisgeber:innen.
„Die Verschwiegenheitspflichten sind im Ministerialentwurf zum HinweisgeberInnenschutzgesetz zurzeit überschießend geregelt.“
ERIC HOHENAUER, MANZ-FACHAUTOR
Vertraulichkeit, Verschwiegenheitspflicht und Schutz der Identität
§ 7 Abs 2 HSchG sieht eine besondere Regelung vor, falls der Inhalt eines Hinweises anderen als den zuständigen Mitarbeitenden einer internen oder externen Stelle bekannt wird. Diesen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird, abgesehen von der Weiterleitung an die zuständige Stelle, die Bekanntgabe des Inhalts des Hinweises oder der Identität der Hinweisgeber:in untersagt.
Diese Auffassung ist nach Ansicht der Autor:innen des vorliegenden Beitrags überschießend und wird nicht von der HinweisgeberRL gedeckt. Das Vertraulichkeitsgebot gem Art 16 HinweisgeberRL bezieht sich nur auf die einzurichtenden Meldekanäle und nicht auf jede in einem Unternehmen tätige Person, an die ein Hinweis herangetragen wird.
Unter bestimmten Voraussetzungen kann es durchaus wünschenswert sein, dass unbeteiligte Mitarbeiter erlangte Hinweise im Sinne einer vertrauensvollen Unternehmenskultur beispielsweise mit Vorgesetzten oder dem Betriebsrat abklären. Noch weniger nachvollziehbar erscheint diese Sanktion gegenüber (unbeteiligten) Mitarbeitenden, wenn man bedenkt, dass Unternehmen, die trotz entsprechender Arbeitnehmer:innenanzahl kein Hinweisgeber:innensystem implementieren, nach dem HSchG keiner Sanktion unterliegen. Vor diesem Hintergrund sollte § 7 Abs 2 HSchG ersatzlos gestrichen werden.
Folgemaßnahmen bei internen Hinweisen
§ 12 Abs 9 HSchG bestimmt, dass die interne Stelle spätestens drei Monate nach Entgegennahme eines Hinweises bekanntzugeben hat, welche Folgemaßnahmen sie ergriffen hat, zu ergreifen beabsichtigt oder weshalb ein Hinweis nicht weiterverfolgt wird. Der Terminus „Folgemaßnahme“ wird nicht legaldefiniert, die Regelung ist aus Unternehmenssicht daher zu unbestimmt.
Wie auch in Deutschland (§ 17 Abs 2 HinSchG-E) sollte das Recht auf Rückmeldung eingeschränkt werden. Eine Rückmeldung sollte nur insoweit erfolgen müssen, als dadurch interne Nachforschungen, weitere Untersuchungen oder Ermittlungen und die Rechte einer Person, die Gegenstand der Meldung ist, nicht beeinträchtigt werden. Hierdurch wird dem Interesse der Allgemeinheit, der betroffenen Stelle, der Strafverfolgungs- und Verwaltungsbehörden wie auch der Person, die Gegenstand der Meldung ist, Vorrang vor den Informationsrechten der hinweisgebenden Person eingeräumt.
Stark gekürzter und bearbeiteter Auszug des Fachbeitrags „Der Entwurf des HinweisgeberInnenschutzgesetzes aus Konzernsicht. Eine Betrachtung ausgewählter Aspekte“ von Katharina Brückner und Eric Hohenauer. Der vollständige Beitrag erläutert unter anderem Argumente, die für eine Richtlinienkonformität der Konzernlösung sprechen, und bringt viele weitere Anregungen und Überlegungen aus der Umsetzungspraxis. Sie finden diesen in der Printausgabe 2022/514 der MANZ-Zeitschrift für Wirtschaftsrecht „ecolex“.
Querverweise zur Norm in der RDB wurden automatisch mit dem MANZ Linkbutler des MANZ Genjus Word Add-In erstellt.