Gerold Oberhumer
Fein sein
Wenn Gerold Oberhumer aus dem Fenster seiner Kanzlei schaut, leuchtet es golden. Das liegt daran, dass er Luftlinie zehn Meter von der Pestsäule auf dem Wiener Graben entfernt arbeitet und auf Augenhöhe mit den goldenen Kugeln an deren Spitze ist.
Am Graben 15: Das prächtige Haus mit den roten Säulen hat seinerzeit der junge Architekt Otto Wagner gebaut, im zweiten Stock ist die Wiener Dependance der Grazer Anwaltskanzlei Scherbaum- Seebacher. Helle Räume, moderne Möbel, dicke Teppiche: Gerold Oberhumer ist gut angezogen und genauso gut gelaunt. Man sei auch gut durch die Coronakrise gekommen, darauf ist er als Partner der Sozietät stolz, man hatte sogar sehr viel zu tun.
„Gestritten und gestorben wird immer.“
„Gestritten und gestorben wird immer“, so seine Erklärung, und er meint damit auch sein Spezialgebiet, das an der Schnittstelle zwischen Familien-, Erb-, Unternehmens- und Gesellschaftsrecht angesiedelt ist. Er berät KlientInnen, die Ehen schließen, die sich von ihren PartnerInnen trennen oder ihre Unternehmen übergeben, und kennt darüber hinaus die unendlichen Facetten von Familienstreitigkeiten, in denen Geld die Hauptrolle spielt. „Ich sage immer: Meine Arbeit sind die Krisen im Leben eines wohlhabenden Individuums.“ Oberhumer sieht sich selbst als Vertrauensperson, als „Trusted Advisor“, wie er sich nennt. Es ist „einfach ein klasser Beruf“, sagt er. Würde er noch einmal geboren werden, würde er wieder Anwalt werden, denn sein Leben soll kein langer stiller Fluss sein, sondern im Gegenteil: Er mag es, wenn immer etwas los ist, mag den Kontakt zu seinen MandantInnen und mag auch das kämpferische Element, wenn es darum geht, die beste Lösung zu erringen, gern auch vor Gericht. Dass er Anwalt werden wollte, wusste er schon mit 16 Jahren, erzählt man sich in seiner Familie, in der er „weit und breit der erste und einzige Jurist ist“.
Geboren wurde Gerold Oberhumer 1982 und wuchs die ersten sechs Jahre seines Lebens auf einem Bauernhof im Hausruckviertel auf. „Eine sehr schöne, bodenständige Kindheit“, sagt er. Dann übersiedelte die Familie nach Graz, eine „nette, lebenswerte Stadt“, in der Oberhumer bis zur Matura ein braver Schüler war und in allen Fächern immer nur die besten Noten hatte. Das setzte sich im Jusstudium dann auch fort. Im dritten Semester begann er als Studienassistent bei Susanne Ferrari am Institut für Zivilrecht und interessierte sich bald für das Erbrecht. „Nach langen Friedens perioden wird die Verteilung von erwirtschaftetem Vermögen ein immer wichtigeres Rechtsgebiet“, hatte er in einer Vorlesung gehört. Oberhumer vertiefte sich, schrieb seine Diplomarbeit über „Schenkungen auf den Todesfall“ und seine Dissertation über „Unternehmen und Gesellschaftsanteile in der nachehelichen Vermögensaufteilung“. Parallel arbeitete er als Assistent, er nennt den akademischen Betrieb ein wunderbares Biotop, in dem er sich nur irgendwann nicht mehr wohlfühlte.
Als er 2011 die Dissertation beendet hatte, wollte er weg. „Eine Weltreise hat mir niemand zugetraut, habe ich aber gemacht“, sagt er selbstironisch. Sieben Monate lang bereiste er die Südhalbkugel, startete in Argentinien, war in Australien, Neuseeland, auf den Fidschi-Inseln – es waren wunderbare Monate, auch weil er viele interessante Leute kennenlernte.
Vor der Abreise hatte sich Oberhumer aber schon einen Job für seine Rückkehr gesichert und sich in der Anwaltskanzlei Scherbaum- Seebacher beworben. „Beim Vorstellungsgespräch waren sämtliche Partner anwesend, das hat mich sehr beeindruckt“, sagt er, und er bekam den Job, den er im August 2012 antrat und den er mag, auch weil er dabei gutes Geld verdient. „Wer aus Gerechtigkeitssinn Jus studiert, sitzt einer Sozialromantik auf“, lacht er. Definitiv fühlt er sich aber weiter der Wissenschaft in seinem Fachbereich verpflichtet, publiziert, nimmt Stellung zu Gesetzesvorlagen und ist Vortragender – etwa auch an der MANZ-Rechtsakademie. Aus seinem Engagement ist ein Praxishandbuch mit dem Titel „Unternehmensnachfolge“ entstanden. Zusammen mit Susanne Ferrari ist er bei der zweiten Auflage des Handbuchs Erbrecht als Koautor dabei. 80-Stunden-Arbeitswochen sind normal.
Ernst wird er, wenn es um seinen Sohn Max (4) und seine Tochter Anna (2) geht. Oberhumer ist mit einer Juristin verheiratet, die junge Familie pendelt zwischen der Steiermark und Wien. Wichtiger als alles andere ist, den beiden ein gutes Aufwachsen zu ermöglichen. Seine Frau, derzeit in Karenz, hält ihm den Rücken frei. Die Wochenenden gehören der Familie. Sein Ziel: Seine Kinder sollen eines Tages jenes Urvertrauen haben, das auch ihn leitet. Besser als jeder andere weiß er, dass sämtlicher Besitz vergeht. „Was am Ende bleibt, sind deine Kinder, in ihnen lebst du weiter.“