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AUTOR DES MONATS · RECHTaktuell 9/2019

Michael Holoubek


Universität, Rechtspre­chung, Irland: Der Verfassungsrichter Michael Holoubek mag Vielfalt und denkt über Grund­rechte und die Identität Europas nach: bei MANZ ist vor Kurzem der Kom­mentar zur Europäischen Grundrechtecharta in zweiter Auflage erschienen.
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Redaktion
Karin Pollack
Datum
04. September 2019

Bunt im Denken


Der Campus der Wirtschaftsuniversität ist im Juli ziemlich ruhig. Nur ein paar Menschen sitzen im Anker-Cafe. Es ist Ferienstimmung. ,,Wir sind das bunte Gebäude", sagt Michael Holoubek, wenn er gefragt wird, wo genau das Institut für Österreichisches und Euro­päisches Öffentliches Recht an der WU zu finden sei. „Wir Juristen hier haben die Bretter vorm Haus, nicht vor dem Kopf", sagt er. Nur wer bei einem Besuch genau hinsieht, versteht Holoubeks Anspielung. Das Gebäude, geplant vom britischen Star-Architekten Peter Cook, ist rundum mit Brettern eingerüstet. Es sind Holzplanken, die die schrillen Farben der Mauem teilweise verdecken. Das Holz hat in den fünf Jahren seit der Errichtung auch schon ein wenig Patina ange­nommen.

„Sie dürfen mich nicht fragen, ob ich gerne hier arbeite, ich war maßgeblich an der Planung beteiligt", lacht Michael Holoubek, der in der Bauphase als Vize­rektor für das Projekt Campus WU verantwortlich war. Das offene Konzept der Räume mit vielen Begegnungs­zonen zum Gedankenaustausch entspräche auch voll und ganz dem Geist des Instituts. ,,Die Leute arbeiten gerne hier", sagt er und sieht das als Beweis für den Er­folg. Und es stimmt: Auch jetzt in der Ferienzeit sitzen kleine Gruppen Studierender herum und reden, die Türen zu den Zimmern der Assistentinnen und Assis­tenten stehen weit offen.
 

„Was Europas Identität ausmacht, hat viel
mit Grund- und Menschenrechten zu tun“


Die ungewöhnliche Verbindung von Juristerei und baulicher Verantwortung wurde Michael Holoubek in die Wiege gelegt. Geboren 1962 „als echter Wiener mit böhmischen Großeltern", wuchs er in Meidling auf. Sein Vater war Jurist, arbeitete allerdings im Wohnbau, und Holoubek selbst hat in seiner eigenen Studenten­zeit viele Ferialjobs auf der Baustelle gemacht. Seine Kindheit verbrachte er im Fußballkäfig in Meidling, und als die Familie später in den 19. Bezirk übersiedelte, war das anfänglich .schon ein Kulturschock". Holoubek besuchte das Gymnasium in der Billrothstraße und wollte nach der Matura 1980 eigentlich Germanistik studieren. ,,Meine Eltern haben aber auf etwas Verwert­barem, also Jus bestanden", sagt er und studierte beides. Für Germanistik fehlt ihm nur die Diplomarbeit und eine Prüfung in Althochdeutsch.

In den Rechtswissenschaften, das war für Holoubek schnell klar, hatte es ihm das Öffentliche Recht angetan, konkret die Grundrechte. Hannes Tretter, Manfred Nowak und vor allem Felix Ermacora prägten das Denken des jungen Studenten. Als „Lebensglücksfall" bezeichnet Holoubek ein eher unverbindliches Gespräch mit Karl Korinek, der in den 1980er-Jahren eine Professur an der WU innehatte und ihm in der Folge eine Assisten­tenstelle anbot, sein Einstieg in eine akademische Lauf bahn. An Korineks Prinzip des Forderns und För­derns hält sich Holoubek in seiner eigenen Rolle als Lehrer bis heute. ,,Ich will den Leuten Freiräume lassen, sie zu eigenständigem Denken animieren und ihre Leistungen sichtbar machen", sagt er. Inhaltlich hat das von Georg Lienbacher geleitete Institut an der WU seinen Fokus auf die Schnittstellen von europäischem und innerstaatlichem Recht gesetzt. Mit Lienbacher ge­meinsam hat Michael Holoubek gerade den Kommen­tar zur Europäischen Grundrechtecharta bei MANZ in zweiter Auflage herausgegeben. ,,Was Europas Identität ausmacht, hat viel mit Grund- und Menschenrechten zu tun", sagt Holoubek, der seit 2010 als Verfassungs­richter über gesellschaftlich relevante Fragen sehr grund­sätzlich und mit Leidenschaft nachdenkt. Die ganze Viel­falt einer Gesellschaft lande auf seinem Schreibtisch: vom Fremdenrecht über Datenschutz bis zur Gleichbe­handlung. ,,Ich würde auch zahlen, um dort arbeiten zu dürfen", scherzt er.

Und was macht Michael Holoubek privat? Er hat vier erwachsene Kinder, vier Enkelkinder, einen Hund, und er isst sehr gerne. Seine Frau ist ebenfalls Juristin, die beiden haben seit vielen Jahren ein Faible für Irland, ein Relikt aus seiner Zeit als Gastprofessor an der Uni­versität Limerick 2005/06. ,,Eine andere Sprache, eine andere Umgebung, das bringt schon Entspannung", sagt er. Er und seine Frau mochten jedenfalls die Gegend und die Leute so sehr, dass man sich dort ein Ferienhaus anschaffte, ,,ganz typisch irisch", sagt er. „Darum wird dich niemand beneiden", habe ein Kollege einmal zu ihm gesagt. Dabei habe er im Laufe der Jahre festgestellt, dass Irland im bunten Europa Österreich gar nicht unähnlich sei, ,,ein kleines Land mit einem großen Nachbarn, nur dass es dort im Sommer wesentlich kühler als hier bei uns ist.

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