SPRACHE UND RECHT
Vom Erlass zum Besch...
Rechtssprache, schwere Sprache: Unter dem Einfluss der EU-Terminologie hat sich eine gewisse Nachlässigkeit bei der Verwendung von Endsilben eingeschlichen, meint ÖJZ-Autor Robert Fucik. In einer unterhaltsamen Sprachglosse erläutert er, warum es vom Entscheid und Erlass nicht mehr weit ist zum Urt und Besch ...

Im Rahmen der ÖJZ-Kolumne „Sprache und Recht“ wurde bereits einmal zur Diskussion gestellt, nicht mehr als eine Vorsilbe zu verwenden – im Zusammenhang mit Beispielen wie „Vorankündigung“ oder „Rückantwort“. Auch der Endungen gibt es mitunter zu viele, wie etwa bei „lediglich“ oder „gewisslich“.
Das ist aber bloß (lieber nicht: lediglich!) die eine Seite des Problems. Es gibt auch Suffixdefizite, nämlich dort, wo eine Endsilbe entfällt. Früher war es kaum denkbar, dass in der österreichischen Rechtssprache vom „Erlass“ eines Urteils oder einer Rechtvorschrift die Rede war. Durch Import der EU-Terminologie ist dies mittlerweile gebräuchlicher geworden.
Erlass und Entscheid in der Rechtssprache
Trotzdem: Mag auch die EU vom Erlass einer Verordnung berichten, so bleibt es in Österreich doch bei der Erlassung eines Urteils, Beschlusses, Bescheids oder meinetwegen der n-ten Covid-19-Vorschrift. Wenn Österreicher einen Erlass vornehmen – von ministeriellen Anweisungen abgesehen –, dann den Erlass von Schulden.
Noch schlimmer liest sich – das aber wenigstens nur bei Laien – der Entscheid, wenn von Entscheidung gesprochen wird. Kommt dies von Jenseits des Weißwurstäquators, wo man statt Putzkraft „Putze“ sagt und sagt Tankstelle „Tanke“? Danke bestens, man muss nicht alles importieren! Vom Entscheid wäre es dann nicht mehr weit zum Urt oder gar zum Besch. Ich versage mir ein alliterierendes Adjektiv.
Verweis oder Verweisung?
Ein anderes Beispiel ist der Verweis. Dieses Beispiel kommt nicht von der EU. Doch auch hier verweist der Verweis die Verweisung allmählich auf den zweiten Platz. Will ein Gesetz auf eine andere Norm verweisen, so verwendet es eine Verweisung, nicht einen Verweis. Wer einen Verweis ausspricht, drückt seine Missbilligung aus. Die Verweisung bedeutet eher das Gegenteil: eine positive Einstellung zum Verwiesenen, nämlich eine Erstreckung der Norm, auf die verwiesen wird, auf einen anderen Fall.
Es sei daher um Erlass des Verweises ersucht. Bleiben wir lieber bei der Verweisung. Und wer – außer um die verba legalia des Unionsrechts zu verwenden –, von Erlass statt Erlassung redet, dem kann ich einen Verweis nicht erlassen.
Die sprachkritische Glosse von Robert Fucik findet sich in Ausgabe 18/2020 der „ÖJZ – Österreichische Juristenzeitung“. Das Original lesen Sie in der Printausgabe. Die „Sprache und Recht“-Glossen der ÖJZ-Redaktion sind darüber hinaus in Buchform im MANZ-Webshop erhältlich.